Corona-Pandemie im Fokus: Was war wichtig und was ist geblieben?
Shownotes
Welche Themen waren zur Zeit der Corona-Pandemie wichtig? Und über welche Themen sprechen die Menschen heute noch? Im aktuellen Zankapfel gehen die ConflictA-Kolleg*innen Anna Christina Nowak, Michael Papendick, Karina Korneli und Max Breger der Frage nach, wie die Corona-Pandemie gesellschaftlich diskutiert wurde und wie sie jetzt - mehr als 5 Jahre nach Beginn - in der Gesellschaft aufgearbeitet wird. Die Basis bilden Gespräche in der Gegenwart und Interviewergebnisse aus den Pandemiejahren: Was bleibt? Was ist heute noch relevant und wie hat sich unsere Perspektive im Laufe der Zeit verändert?
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00:00:00: Bestimmt erinnert ihr euch.
00:00:01: Pflegekräfte, Verkäuferinnen, Erzieher, Fahrerinnen im öffentlichen Nahverkehr, Paketboten.
00:00:08: Systemrelevant, so nannte man sie damals.
00:00:11: Menschen, die in der Corona-Pandemie besonders belastet oder dieser besonders ausgesetzt waren.
00:00:17: Gleichzeitig jedoch für unseren Alltag besonders wichtig und nicht zuletzt durch den Applaus von den Balkonen besonders sichtbar wurden.
00:00:24: Doch was ist davon geblieben, als die Scheinwerfer ausgingen und das Leben nach Ende der Pandemie scheinbar wieder normal wurde?
00:00:31: Inwiefern finden Themen, die uns als Gesellschaft während der Pandemie bewegt haben, im aktuellen Aufarbeitungsdiskurs einen Platz?
00:00:51: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts Zankapfel Konflikte Kurz Erklärt.
00:00:57: dem Podcast, in dem wir Konflikte aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick nehmen und nachfragen, wo es unbequem wird.
00:01:05: Mein Name ist Anna-Christina Nowak und ich arbeite an der Konfliktakademie Konflikta des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld.
00:01:16: Heute beschäftigen wir uns mit der Frage, was in der Corona-Pandemie als relevant wahrgenommen wurde und was davon heute tatsächlich aufgearbeitet wird.
00:01:26: Was denkt ihr?
00:01:27: Welche Pandemiethemen werden heute zu wenig adressiert?
00:01:38: Forschungsdaten, die schon während der Pandemie erhoben wurden, erlauben uns einen ganz konkreten Rückblick in diese Zeit und in das, was Menschen damals als wichtig erachtet haben.
00:01:49: Michael Papendieg, Psychologe und ebenfalls Mitarbeiter an der Konflikter, hat an einer Fragebogenstudie mitgearbeitet, die bereits in den Anfängen der Pandemie erfasst hat, welche Themen für die Menschen wichtig waren.
00:02:02: Die erste Erhebung fand bereits im März-Zw-Z-Zw-Z statt, also direkt mit dem Beginn des ersten bundesweiten Lockdowns.
00:02:09: Insgesamt haben dreitausend Personen an der Befragung teilgenommen.
00:02:13: Dabei ging es unter anderem um die Sorgen und Ängste der Menschen, die Sinnhaftigkeit von Schutzmaßnahmen oder die langfristigen Auswirkungen und Lehren aus der Pandemie.
00:02:27: Ein Thema, das viele unserer Befragten in dieser Zeit besonders bewegt hat, war das deutsche Gesundheitssystem.
00:02:33: Und die Frage, was sich im Bereich der Gesundheitsprävention und Versorgung ändern müsste.
00:02:37: Dabei ging es den Befragten zum Beispiel um das Problem wirtschaftlich motivierter Produktions- und Einkaufswege in der Gesundheitsversorgung und um augenscheinliche Nachteile der Globalisierung.
00:02:47: Wenn zum Beispiel dringend notwendige medizinische Produkte nicht mehr in Deutschland produziert werden, und es deshalb zu Liefer- und Versorgungsengpässen kommt.
00:02:55: Sehr viele Befragte haben sich hier auch konkret zu den Arbeitsbedingungen im deutschen Gesundheitssystem geäußert und gefordert, dass sich Bezahlung und Bedingungen für Ärztinnen und medizinisches Pflegepersonal dringend und nachhaltig verbessern müssen.
00:03:08: Ganz ähnliche Forderungen haben viele Befragte auch für Berufsgruppen abseits des Gesundheitssystems gestellt.
00:03:13: Sie haben darauf aufmerksam gemacht, dass wir als Gesellschaft endlich merken sollten, wie wichtig viele Berufsgruppen, die vorher wenig Beachtung oder Anerkennung fanden, für uns als Gesellschaft und für einen funktionierenden Alltag sind.
00:03:25: Dabei ging es um verschiedenste Berufsgruppen, zum Beispiel im Einzelhandel und im sozialen Bereich.
00:03:30: Und es wurde immer wieder angemerkt, dass die sogenannten systemrelevanten Berufsgruppen dringend und nachhaltig mehr Anerkennung und vor allem bessere Arbeitsbedingungen bekommen sollten.
00:03:40: Viele Befragte waren sich zu diesem Zeitpunkt auch sicher, dass solche Veränderungen angesichts ihrer offensichtlichen Dringlichkeit auf jeden Fall passieren
00:03:47: werden.
00:03:48: Neben den Arbeitsbedingungen in den sogenannten systemrelevanten Berufen haben die Befragten aber auch auf die von der Pandemie besonders belasteten Personen hingewiesen, wie zum Beispiel alleinerziehende Eltern oder Menschen mit psychischer Erkrankung.
00:04:02: Die Erfahrungen, die Menschen während dieser Zeit gemacht haben, versuchen wir gerade in einer Interviewstudie nachzuzeichnen und sprechen mit Menschen, die besonders von der Corona-Pandemie betroffen waren und deren Leben weiterhin durch die Pandemie beeinflusst werden.
00:04:18: Dazu gehören Menschen, die chronisch oder psychisch erkrankt sind, genauso wie Menschen, die die Maßnahmen aus unterschiedlichen Gründen als Bürde erlebt haben.
00:04:26: Obwohl es, das zeigen die bisherigen Interviewergebnisse, viel Diskussions- und Aufarbeitungspotenzial gibt, kommt die politische und gesellschaftliche Aufarbeitung erst sehr langsam ins Rollen.
00:04:37: Und viele der Themen, die in den Befragungen angesprochen wurden und werden, sind medial nicht mehr besonders präsent.
00:04:48: Der Soziologe Max Breger untersucht in der Konflikte gemeinsam mit seiner Kollegin Carina Corneli, wie große deutsche Zeitung derzeit über die Aufarbeitung der Pandemie berichten.
00:04:59: Die Diskussion um systemrelevante Berufsgruppen wie Pflegerin oder Kassiererin werden nicht weiter aufgegriffen, so unser bisheriger Eindruck.
00:05:07: Auch marginalisierte Gruppen, die mehr unter den Maßnahmen und der Pandemie leiden mussten als andere, werden nicht behandelt.
00:05:14: Einzige Ausnahme sind hier Schülerin.
00:05:16: Globale Perspektiven wie empfindliche Lieferketten, Verteilungsgerechtigkeit von Impfstoffen zwischen reichen und ärmeren Ländern oder ökologische Aspekte werden ebenfalls vernachlässigt.
00:05:27: Die ersten Analysen der Zeitungsdaten zeigen also, dass solche eher sozialen Gerechtigkeitsfragen, anders als von den Bürgerinnen während der Coronazeit gewünscht, im aktuellen Diskurs kaum vorkommen.
00:05:40: Es geht vor allem um die politische Aufarbeitung der Maßnahmen.
00:05:44: Zeitungen berichten über parlamentarische Untersuchungskommissionen und über die Frage, ob die Maßnahmen angemessen waren und wer, wofür Verantwortung trägt.
00:05:52: In Bezug auf die Angemessenheit der Maßnahmen werden insbesondere die Schulschließungen thematisiert.
00:05:57: Die Verantwortungsfrage wird aktuell vor allem in Bezug auf die Maskendienst diskutiert.
00:06:02: Auch wissenschaftliche medizinische Aspekte wie Nutzen und Risiken der Impfungen, Long Covid oder das Entstehen des Virus werden debattiert.
00:06:14: Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass viele Themen, die während der Pandemie als bedeutsam empfunden wurden, an Bedeutsamkeit verlieren, wenn die vermeintliche Normalität wieder Einzug erhält.
00:06:25: Dabei haben die Menschen noch viel mehr persönliche und gesellschaftliche Themen, die sie während der Pandemie bewegt haben, als relevant empfunden.
00:06:33: Sie werden uns auch weiterhin langfristig beschäftigen, wie der Klimaschutz, der gesellschaftliche Umgang mit der Natur und die Solidarität.
00:06:42: deutlich wurde, dass Zuhören eine ganz wichtige Rolle gespielt hat und weiterhin spielt.
00:06:47: Und gerade die Geschichten von Personen, die während der Pandemie nicht oder zu wenig Gehör gefunden haben, im Aufarbeitungsdiskurs berücksichtigt werden sollten.
00:06:56: Denn gerade daraus kann man viel über den Umgang mit gesellschaftlichen Krisen lernen.
00:07:01: Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten
00:07:09: Mal.
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